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Aus der Serie Hier ist das Wetter schön!
2013-2017

Pigmenttusche auf hunderte gelaufener Postkarten aus aller Welt.

Roland Stratmann hat für die Arbeiten seiner jüngsten Werkreihe „Hier ist das Wetter schön“ gelaufene Postkarten aus der ganzen Welt – überwiegend aus der Zeit des kalten Krieges – gesammelt und sie zu mehrschichtigen Bildern zusammengefügt. Ausgangspunkt sind handgeschriebene, frankierte und abgestempelte Karten, die er zu großformatigen Bildträgern arrangiert, und die so zu einem wesentlichen Bestandteil seiner subtilen Gesellschaftsbilder werden: gleichermaßen Speicher persönlicher Erinnerungen und solcher, die zum kollektiven Gedächtnis zählen.

Allein die Briefmarken transportieren Zeitgeist und Geschichte. Man entdeckt die Konterfeis verschiedener Staatschefs, beispielsweise Josip Broz Tito aus dem ehemaligen Jugoslawien oder Mustafa Kemal Atatürk, den Staatsgründer der Türkei. Hinzu treten Sujets aus den Bereichen Sport, Natur und Technik. Bildmotive, die der Künstler in den Medien recherchiert, transformiert er zu großformatigen Tuschmalereien. Diese stellen die zweite Schicht seiner komplexen Arbeiten dar. Darüber gelegt sind Originalzitate aus den Postkartentexten. Manches Zitat führt ins Absurde oder sehnsuchtsvolle Klischee und hält uns dabei den Spiegel vor.

In der Serie „Hier ist das Wetter schön“ erkundet Stratmann, mit einem Blick für das Groteske, die durch den Tourismus zu Tage tretenden eingefahrenen Vorstellungen und Vorurteile. Die Grundlage für die Tuschzeichnungen bilden Schnappschüsse, die Besucher auf ihren Reisen fotografiert und ins Internet gestellt haben. Die durch die Isolation und zeichnerische Umsetzung fremdartig wirkenden Motive kombiniert Stratmann mit Zitaten aus den Postkartentexten. Darin scheint eine vergangene Epoche auf, als Europa noch von geschlossenen Grenzen durchzogen war und die Reise in andere Länder als Abenteuer galt. Aus heutiger Sicht erhält die Zusammenstellung der verschiedenen Bild- und Textebenen eine überraschende und erschreckend aktuelle Verknüpfung zur politischen Lage in Europa. Denn die derzeit diskutierte erneute Grenzziehung und die ideologische Abschottung der Nationen könnte die erlangte individuelle Freiheit gefährden und die Vorzüge und den Austausch einer freien demokratischen Union in Frage stellen.

Mit seinen Postkartenarbeiten legt der Künstler den Finger buchstäblich in die Wunde und macht deutlich, wie arglos wir oft unsere Umwelt betrachten und wie unbekümmert wir mit vorgefertigten Standardformeln umgehen, die doch unsere jeweils ganz eigene Erfahrung widergeben sollen. Stratmann konfrontiert die aus dem Pool der kollektiven Mitteilungen gefilterten Botschaften mit den aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgelösten Bildmotiven. Triviales trifft auf Unerwartetes, Belangloses auf Schockierendes, Vergangenes auf Gegenwärtiges. Die aus den Postkartennachrichten „in die Heimat“ extrahierten kollektiven Urteile und Stimmungen treten in Wechselwirkung mit den Zeichnungen. Daraus entstehen Sinnbilder der interkulturellen Verkennungen.